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Was lange währt, wird endlich intestine? Das Cannabisgesetz ab dem 1. April 2024

…und dann ging irgendwie doch alles Schlag auf Schlag: Am 23. Februar 2024 hat der Bundestag das Cannabisgesetz (CanG1)) beschlossen, einen Monat später hat es den Bundesrat passiert.2) Bis zuletzt herrschte noch flächendeckende Ungewissheit, insbesondere die Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde befürchtet. Mit Unterzeichnung durch Bundesratspräsidentin Schwesig am vergangenen Mittwoch wurde nun die letzte Hürde überwunden und das Gesetz tritt mit einigen Vorbehalten planmäßig zum 1. April 2024 in Kraft.3) Freude und Skepsis scheinen groß – je nachdem, wo man ist und wen man fragt. Zum Stichtag sind dennoch zahlreiche Veranstaltungen, etwa der „Legalization Day“ in Hamburg oder das „Excessive und Frei“ in Regensburg angekündigt. Wahrscheinlich ist auch, dass in vielen Teilen der Republik um 16:20 Uhr Feuerzeug und Joint gezückt werden.

Die (teilweise) Entkriminalisierung von Hashish durch das CanG stellt einen wichtigen Schritt zu einer nachhaltigeren und vorurteilsfreieren Drogenpolitik dar. Trotz handwerklicher Fehler und gespaltenem Konzept: Die Gründung von Hashish-Golf equipment wird erst im Sommer möglich sein, Vorschriften zur Tilgung der Eintragungen im Bundeszentralregister werden erst zu Januar 2025 in Kraft treten und wann mit konkreten Ideen zur Umsetzung regionaler Modellvorhaben zu rechnen ist, bleibt ungewiss.4) Diese stufenförmige Einführung wird in den nächsten Monaten großes Diskriminierungspotential mit sich bringen. Die Verschärfung der Strafvorschriften im vergangenen November lässt zudem eine Überkriminalisierung konsumbezogener Handlungen befürchten.

Verspätung der „Hashish-Golf equipment“

Was sich im Jahr 2021 wie die bundesweite Etablierung von Cannabisshops, für manche buchstäblich als „amerikanischer Traum“ las, modifizierte sich mit Verweis auf Wissensdefizite für Cannabisvertriebswege in Kombination mit völkerrechtlichen Friktionen zum sog. 2-Säulen-Modell.5)

Zum 1. April 2024 ist der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen erlaubt. Bestimmungen zum gemeinschaftlichen Eigenanbau in sog. Anbauvereinigungen (Hashish-Golf equipment) treten erst zum 1. Juli 2024 in Kraft (Artwork. 15 Abs. 2 CanG). Schon wegen der Formalitäten des Erlaubnisverfahrens können von der Gründung des Golf equipment bis hin zur Aufnahme des Betriebs noch einige Monate dazugerechnet werden.  Mitglieder können Erträge realistischerweise erst nach dem Jahreswechsel erwarten. Abgesehen vom privaten Eigenanbau mit den Beschränkungen nach §§ 9 f. KCanG (Konsumcannabisgesetz), sind in der Zwischenzeit keine Zugangswege zu Genusscannabis vorgesehen. Auch die non-public Selbstversorgung wird noch Zeit in Anspruch nehmen, denn bis die Pflanzen Früchte tragen, werden mehrere Wochen bzw. gar Monate vergehen. Damit herrscht zeitweise ein gewisses Versorgungsvakuum. Strafrechtliche Konsequenzen bedeutet dies nicht unbedingt; ab dem Stichtag ist auch ein zuvor unlawful begonnener Anbau „legalisiert“. Losgelöst davon ist auch der Besitz von bis zu 25 bzw. 50 Gramm zum Eigenkonsum herkunftsunabhängig erlaubt- additionally auch vom Schwarzmarkt. Entsprechend der Struktur des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) werden jedoch auch künftig dem erlaubten Besitz vorausgehende Handlungen auf Seiten des Abgebenden und Nehmenden, für letzteren jedenfalls über der Grenze der Freimenge, wechselseitig kriminalisiert. Die weitgehende Übernahme strafbarer Handlungen aus dem BtMG6) hat damit zur Folge, dass bei der Frage der Beschaffung vorsorglich geschwiegen werden sollte.7)

Punktgenaue Ernte

Auch das Kernstück des Gesetzes, der erlaubte Besitz nach § 3 KCanG, sieht nun mit Blick auf den Eigenanbau differenzierte Mengen in und außerhalb des Wohnsitzes vor. Diese beziehen sich auf getrocknetes Hashish. Eine Grenzziehung des Erlaubten richtet sich damit nach der „Konsumfähigkeit“ von Hashish; ist diese noch zu verneinen, darf die 50-Gramm-Grenze überstiegen werden.

Der damit bezweckte Erntevorgang, bei dem allenfalls die Höchstgrenze des erlaubten Ertrags herauskommt, ist in der Umsetzung prekär. Punktlandungen werden sich für den Anbauenden kaum erreichen lassen, zumal es für die Konsumfähigkeit keine festen Werte gibt. In den letzten Änderungen ist zudem für geringfügige Verstöße eine Ordnungswidrigkeit aufgenommen worden. Wird die Obergrenze nur leicht überschritten (um 5 bei einem zulässigen Besitz von 25 Gramm bzw. um 10 bei einem zulässigen Besitz von 50 Gramm), handelt es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit statt einer Straftat.

Erhöhtes Strafmaß

Die Fülle an Strafvorschriften bringt auch künftig einen Schwarzmarkt mit sich. Als Korrektiv zu zahlreichen strafbaren Vergehenstatbeständen sieht der im parlamentarischen Verfahren eingefügte § 35a KCanG eigenständige Voraussetzungen für das Absehen der Verfolgung von geringfügigen Konsumvergehen vor. Da das KCanG bereits straffreie Eigenverbrauchsmengen beim Besitz, Erwerb und Anbau vorsieht, erfüllt der neu eingefügte § 35a KCanG seine Funktion, wenn eine sogenannte „geringe Menge“ im strafbaren Bereich liegt, etwa mehr als 30 bzw. 60 Gramm. Hinsichtlich der anderen Tatbestandsvarianten, für die das KCanG keine straffreien Mengen vorsieht, sollen dagegen die bisherigen Grundsätze der Rechtsprechung zur geringen Menge angewandt werden. Die Strafnorm nach § 34 KCanG ist im Übrigen gegen Ende hin hinsichtlich der Strafrahmen bei qualifizierten Verstößen auf mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben worden (z.B. bei bandenmäßiger Tatbegehung mit „nicht geringer Menge“).

Ungewisse Anwendungspraxis

Neuralgische Punkte des Gesetzes ergeben sich aus handwerklichen Fehlern durch „Blindverweise“ auf das BtMG, die zum Teil im Widerspruch zu den grundsätzlichen Wertungen stehen. Genannt sei etwa das verbotene Herstellen (z.B. Ernten) unter dem Gesichtspunkt, dass der Anbau wiederum erlaubt sein soll (34 Abs. 1 Nr. 3 KCanG), frei nach dem Motto „Nur gucken, nicht anfassen“. Diese und weitere Inkonsistenzen verlangen Nachbesserung. Auch ist absehbar, dass die Klärung zentraler Rechtsbegriffe wie der jeweiligen Mengen („geringe“, „normale” und „nicht geringe“ Menge) einige Monate in Anspruch nehmen wird. Die Suche nach einer normativen Bezugsgröße und universelle Angleichung der Maßstäbe bei den Opportunitätsvorschriften wird sich schwer gestalten.8) Es muss nach überzeugenden, innersystematischen Lösungen gesucht werden, die dazu beitragen, dass das CanG nicht als „BtMG gentle“ verstanden wird. Dem wird nicht gerecht, dass auch der Umgang mit anderen, potenziell wesentlich gefährlichen Stoffen, wie z.B. Neuen Psychoaktiven Stoffen (NpS), nicht annähernd so detailverliebt und folgenreich reglementiert ist.9)

Erleichterte Verschreibung von Medizinalcannabis

Von dem Streit um das KCanG überschattet wurden die Änderungen im Zusammenhang mit Medizinalcannabis. Sie sind bislang kaum wahrgenommen worden, vielleicht auch weil sich an der Grundsituation bei flüchtiger Betrachtung nicht allzu viel getan hat. Anders als nach dem BtMG ist die ärztliche Verschreibung nunmehr nach § 3 MedCanG nicht länger an das Ultima Ratio-Prinzip geknüpft. Vor der Verschreibung muss nicht mehr in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der beabsichtigte Zweck nicht auf andere Weise als mit Hashish erreicht werden kann.  Hashish wird künftig lediglich verschreibungspflichtiges Arzneimittel bleiben. Mit der Gleichsetzung der Verschreibung von Medizinalcannabis zu anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie „Ibuprofen 600 mg“ wird Hashish deutlich leichter erhältlich als bisher. Dies verspricht eine grundsätzliche Verbesserung der wissenschaftlichen Erkenntnislage. Der Zugang für Affected person:innen wird sich damit nicht nur faktisch verbessern und Hashish im medizinischen Kontext entstigmatisiert. Auch der bürokratische Aufwand für Ärzt:innen verringert sich. Der Eigenanbau zur medizinischen Versorgung, in der Vergangenheit oft als unerlaubte Behelfslösung genutzt, kann und soll künftig zur Versorgung aus der Apotheke keine Various mehr darstellen.10)

Ausblick

Zuverlässig einschätzen lässt sich nicht, wie Behörden- und Gerichtspraxis künftig mit den Bestimmungen des KCanG umgehen werden. Die Verbotslogik des Gesetzes (§ 2 KCanG), aber auch regionale Gewohnheiten und die teilweise zu vernehmenden Ankündigungen einer strengen Verfolgungspraxis sind Vorboten für ein restriktives Rechtsverständnis. Angesichts dessen fällt es schwer, die Reform als „Teillegalisierung“ zu titulieren. Zahlreich zu erwartende Verstöße gegen Überlassungsverbote, gerade auch unter Konsumierenden, werden vor allem wegen der Versorgungsproblematik nach dem 1. April ein großes Diskriminierungspotenzial entfalten. Gegen welche Personen auch künftig wegen Konsumdelinquenz konsequent strafrechtlich vorgegangen wird, hängt nicht zuletzt von regionalen Gepflogenheiten ab. Vor allem bei grenznahen Bundesländern sowie „im Süden“ bleibt spannend, wie polizeiliche Ressourcen eingesetzt werden. Das Gesetz befördert soziale Diskriminierung künftig aber auch deshalb, weil die Hashish-Golf equipment als zuverlässige Various zum privaten Eigenanbau schon durch die limitierte Anzahl ihrer Mitglieder und die voraussichtlich nicht unerheblichen Kosten eher exklusiv bleiben dürften.11) Zwangsläufig wird es Personen geben, die sich weder das eine leisten, noch das andere faktisch umsetzen können. Es ist zu erwarten, dass hiervon eher sozial benachteiligte Menschen betroffen sein werden, die weiterhin auf illegale Vertriebswege angewiesen sind.

Das CanG entpuppt sich trotz der zahlreichen Beschränkungen nicht als bloßes Lippenbekenntnis der Ampelkoalition. Klar geworden ist jedoch auch, dass eine geänderte und nachhaltige Drogenpolitik auf einer zweiten Säulen stehen muss. Ohne diese ist mit einer faktischen Legalisierung durch das MedCanG zu rechnen und das, obwohl der Gesetzgeber mit dem KCanG und MedCanG eine Trennung vorgesehen hatte. Zweckentfremdung lässt wiederrum zurückhaltende bis fehlende Akzeptanz von Cannabismedizin befürchten, was nicht zuletzt auch Auswirkung auf die Bereitschaft zu Studien und Forschungsvorhaben bedeuten kann. Dann wären wir wieder bei alten Problemen in neuem Gewand…

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