Das Aus für Influencer in Uniform? – Verfassungsblog – Cyber Tech

Zum Urteil des VG Berlin gegen „Officer Denny“

„Officer Denny“ darf keinen privaten TikTok-Account betreiben, mit dem er über seinen Alltag als Polizist in der Bundeshauptstadt informiert. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin im März bestätigt (Az. 36 Ok 389/22), nachdem der Dienstherr dem Polizeibeamten untersagt hatte, seinen Account – mit mehr als 150.000 Followern – weiter zu betreiben.

Die nun veröffentlichten Entscheidungsgründe zeigen, dass das Gericht der Argumentation des Dienstherren weitestgehend folgt. Das VG Berlin stuft die Nebentätigkeit zwar zutreffend ein, verpasst aber die Gelegenheit, Meinungsfreiheit und beamtenrechtliche Neutralitätspflicht überzeugend ins Verhältnis zu setzen. Dies soll hier versucht werden.

Das fatale Interview

Im Juni 2021 hatte der Dienstherr gegenüber dem Polizeioberkommissar noch erklärt, dass gegen seine „künstlerische Nebentätigkeit“ keine Bedenken bestünden, da er auch außerhalb des Dienstes der Verschwiegenheitspflicht unterliege und seine Social-Media-Aktivität nur außerhalb der Dienstzeit und dienstlicher Liegenschaften ausüben dürfe. Anlass der Untersagung warfare dann im Februar 2022 ein Interview des Beamten mit dem über Berlins Grenzen hinaus medial bekannten „Clan-Chef“ Arafat Abou-Chaker, das der Dienstherr als schwerwiegendes Dienstvergehen wertete. In dem reside gestreamten Interview tauschte sich „Officer Denny“ mit Arafat Abou-Chaker über den sog. Bushido-Prozess vor dem Berliner Landgericht aus. Dabei habe eine „vertrauliche Atmosphäre“ bestanden, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen gewesen sei, dass sich die Beteiligten im Gespräch geduzt haben.

Das Interview wurde medial heftig kritisiert. Nach kürzester Zeit stellten zahlreiche Nutzerkommentare das Vorgehen des Beamten dienstlich wie persönlich scharf in Frage. Sein Dienstherr sah darin einen Verstoß gegen § 5 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten (NtVO) i.V.m. § 63 Abs. 5 Landesbeamtengesetz Berlin (LBG), § 34 Abs. 1 Satz 1, 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und § 101 LBG und untersagte die Tätigkeit. Nach § 101 LBG sind Polizistinnen und Polizisten dazu verpflichtet, das Ansehen der Polizei zu wahren. Gemäß § 34 BeamtStG muss das Verhalten von Beamtinnen und Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.

Nach erfolglosem Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahren musste sich das VG Berlin ausführlich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Nebentätigkeit von „Officer Denny“ diese beamtenrechtlichen Vorgaben verletzte.

Zur Frage der (künstlerischen) Nebentätigkeit

Zuvor hatte das Gericht allerdings zu klären, ob die Social-Media-Aktivität des Beamten überhaupt eine Nebentätigkeit i.S.d. § 60 Abs. 1 LBG darstellt. Dabei differenziert das Gericht zutreffend zwischen (entgeltlichen) Nebentätigkeiten unter Genehmigungsvorbehalt und genehmigungsfreien Nebentätigkeiten, zu denen insbesondere schriftstellerische, wissenschaftliche oder künstlerische Aktivitäten zählen.

Dass der Betrieb eines Accounts in den sozialen Netzwerken überhaupt als rechtlich relevante Nebentätigkeit zu qualifizieren und nicht etwa nur Freizeitbeschäftigung ist, begründet das VG Berlin im Eilverfahren damit, dass der Polizeibeamte mit seinen diversen Tätigkeiten jenseits seiner Intim- oder Privatsphäre eine potentiell unbegrenzte Zahl von Mitmenschen im sozialen Raum erreichen will. Die Reichweite und Wirkung seiner öffentlichkeitswirksamen Tätigkeiten könne mit den allgemeinen Anforderungen an den öffentlichen Dienst oder mit den besonderen Erfordernissen seines Amts als Polizeioberkommissar in Konflikt geraten. Genau an diese Konfliktlage knüpfen die gesetzlichen Vorgaben zu Nebentätigkeiten an.

Bei der Tätigkeit des Beamten soll es sich nach der Auffassung des Gerichts um eine künstlerische Aktivität i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 2 LBG und damit eine genehmigungsfreie Nebentätigkeit gehandelt haben. Sie sei – unabhängig davon, ob der Beamte als „Influencer“ oder „Content material Creator“ auftritt – von eigenschöpferischem, humoristischem Agieren geprägt. Außerdem bezieht sich die Kammer darauf, dass der Beamte vom Kreativitäts-Fonds der Plattform TikTok gefördert wurde. Die Privilegierung gegenüber genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten ändere aber nichts daran, dass auch eine künstlerische Tätigkeit gemäß § 63 Abs. 5 LBG untersagt werden könne, soweit der Beamte dabei dienstliche Pflichten verletzt.

Neutralitätsverstoß als Dienstpflichtverletzung

Das VG Berlin stuft das Interview als Verstoß gegen die Dienstvorschriften ein und bestätigt damit die dienstrechtliche Untersagung nach § 63 Abs. 5 LBG. Es widerspräche einer vorschriftsmäßigen Dienstwahrnehmung, außerdienstlich Kontakt zu den Angeklagten eines laufenden Strafverfahrens aufzunehmen und erst recht sich mit Beschuldigten eines laufenden Strafverfahrens über Prozessdetails öffentlich auszutauschen. Das Interview sei darüber hinaus geeignet gewesen, Zweifel zu begründen, ob der Beamte sein Amt pflichtgemäß, unparteiisch, unbefangen und in ungeteilter Loyalität gegenüber dem Allgemeinwohl wahrnimmt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beamte im Gespräch betont habe, nicht in seiner Funktion als Polizeioberkommissar tätig zu werden.

Dieses Ergebnis verletze den Beamten nach Auffassung des VG Berlin auch nicht in seiner Meinungsfreiheit. Zunächst verweist das Gericht darauf, dass sich Beamte im Rahmen ihrer Dienstausübung nicht auf den grundrechtlichen Schutz des Artwork. 5 Abs. 1 GG berufen können. Selbst wenn man die Äußerungen in den sozialen Netzwerken als privat und damit vom personellen Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst einstufe, ändere dies nichts. Denn für Beamte gelte der Schutz aus Artwork. 5 Abs. 1 GG nur insoweit, „wie die Meinungsäußerung mit ihren sich aus dem Amt ergebenden Pflichten vereinbar ist“.

Probability verpasst

Grundsätzlich überzeugt die Entscheidung des VG Berlin. Erläuterungsbedürftig sind die grundrechtlichen Ausführungen des Gerichts, die bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine bloße Randbemerkung bleiben.

Zunächst deutet das Gericht an, dass es „nicht unproblematisch“ sei, ob sich der Beamte in seinen Movies überhaupt auf die Meinungsfreiheit berufen könne, lässt diese Frage aber (leider) dahinstehen. Hier wäre es wünschenswert gewesen, die anerkannten Maßstäbe zur Charakterisierung staatlicher Accounts in den sozialen Netzwerken (vgl. hier) um eine weitere Fallgruppe des „Influencers in Uniform“ zu erweitern. Die überschaubare Rechtsprechung zu diesem wichtigen Thema beschränkt sich bisher auf die (Textual content-)Beiträge von Regierungsmitgliedern bei X (vormals Twitter) (siehe etwa hier und hier). „Officer Denny“ hätte Anlass geboten, sich damit auseinanderzusetzen, inwiefern sich die bisherigen Abgrenzungskriterien auf bild- und videobasierte Netzwerke übertragen lassen. Hier hätte das VG Berlin ein gänzlich neues Feld erschließen können. Die besseren Erwägungen dürften dafür sprechen, dass das Profil des Beamten privat und damit von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist. Zwischen staatlicher und privater Sphäre wird schwerpunktmäßig anhand formaler Kriterien wie Profil-Impressum und Account-Title abgegrenzt, die mit Blick auf „Officer Denny“ deutlich für eine personal Charakterisierung sprechen. Für die allermeisten Polizeibeamtinnen und -beamten mit eigenem Social-Media-Account gilt additionally Entwarnung: Der dienstliche Beamtenstatus allein macht einen Account noch nicht zum staatlichen Kommunikationskanal.

Daneben ist die Formulierung des Gerichts interessant, wonach der Schutz aus Artwork. 5 Abs. 1 GG für Beamte nur insoweit gelte, „wie die Meinungsäußerung mit ihren sich aus dem Amt ergebenden Pflichten vereinbar ist“. Der Begriff des „Geltens“ ließe sich so verstehen, dass sich Beamte bei einem Konflikt von Aussageinhalt und Dienstpflicht nicht auf den Schutz(-bereich) der Meinungsfreiheit berufen könnten. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit verengt sich jedoch nicht, nur weil der Grundrechtsträger verbeamtet ist. Auch Beamte können sich auf die Meinungsfreiheit berufen, wenn sie sich – wie hier – nicht in ihrer Funktion als staatlicher Funktionsträger äußern. Bei den hier einschlägigen Beamtengesetzen und den auf dieser Grundlage erlassenen Untersagungen handelt es sich additionally um Eingriffe in den Schutzbereich des Artwork. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind. Die eingreifenden Gesetze müssen „allgemeine Gesetze“ i.S.d. Artwork. 5 Abs. 2 GG sein und den besonders hohen Rechtfertigungsanforderungen genügen, die bei Eingriffen in die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung schlechthin konstituierende Meinungsfreiheit gelten. Die Untersagung erfüllt diese Anforderungen problemlos: Das Nebentätigkeitsrecht soll dazu dienen, die Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung in die Beamten sowie deren Neutralität zu sichern, additionally Schutzgüter von hohem Verfassungsrang. Das von „Officer Denny“ durchgeführte Interview begründet unstreitig Zweifel daran, dass dieser die beamtenrechtlichen Anforderungen wahrt.

Bemerkenswert ist jedoch, dass das VG die womöglich einschlägige Kunstfreiheit des Beamten aus Artwork. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ignoriert, obwohl es seine Tätigkeit wenige Randnummern zuvor als künstlerisch i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 2 LBG eingestuft hat. Ein grundrechtsdogmatischer Vorteil der Kunst- gegenüber der Meinungsfreiheit liegt darin, dass die Kunstfreiheit nur verfassungsimmanenten Schranken unterliegt. Auch wenn dies am Ergebnis der Entscheidung womöglich nichts geändert hätte: Ein ganzes Grundrecht außer Acht zu lassen ist – um bei den Worten des VG Berlin zu bleiben – „nicht unproblematisch“.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Wie die Tätigkeit von Beamten auf TikTok zu charakterisieren und inwieweit sie von der Kunstfreiheit geschützt ist, sind Rechtsfragen, die sich in der Zukunft sicherlich häufiger stellen werden. Das OVG Berlin-Brandenburg sollte die Gelegenheit nutzen, um genau zu prüfen, wie sich die Social-Media-Aktivitäten staatlicher Funktionsträger kommunikationsgrundrechtlich implementieren lassen.

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